Studie: Deutliche Mehrkosten bei Vollelektrifizierung des Wärmemarktes

Gasinfrastruktur bleibt zentrales Element einer kostengünstigen Dekarbonisierung

Kassel. Eine weitreichende Sektorenkopplung ist teuer – dies ist das zentrale Ergebnis einer neuen enervis-Studie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Studie analysiert verschiedene Pfade zur Sektorenkopplung von Strom und Wärme bis 2050 und trifft Aussagen zu Kosten dieser Pfade und der Wirkung auf die Versorgungssicherheit. Im Mittelpunkt stehen dabei der Strom- und Wärmemarkt und die Betrachtung der Effekte von Kohleausstieg, Vollelektrifizierung und Einsatz von Power-to-Gas (P2G) bis 2030 und 2050.

Die Studie kommt zu den folgenden Schlussfolgerungen:

  • Ohne einen beschleunigten Kohleausstieg ist eine effiziente und effektive Dekarbonisierung der Sektoren Strom und Wärme nicht möglich. Der Kohleausstieg und ein damit einhergehender Umstieg von Kohle zu Gas in der Stromerzeugung sind daher energiewirtschaftlich und politisch vorrangig.
  • Erdgas bleibt bis mindestens 2040 die kosteneffizienteste CO2 Vermeidungsoption für Wärme und bis 2050 und darüber hinaus ein kosteneffizienter CO2-armer Energieträger für Backup-Kraftwerke.
  • Um die Klimaschutzziele kosteneffizient zu erreichen gilt es Vorfestlegungen zu vermeiden und Technologieoffenheit sicherzustellen: So stellt die Gasinfrastruktur eine wichtige Flexibilitätsoption für die Flankierung der erneuerbaren Energien dar. Eine dekarbonisierte Welt mit Power-to-Gas kann volkswirtschaftlich günstiger sein als eine Welt ohne Gas. 

Ausgewertet wurden Szenarien zur Dekarbonisierung des Wärmemarktes durch Voll- bzw. Teilelektrifizierung – mit und ohne P2G. Die Ergebnisse zeigen klar: Eine weitreichende Sektorenkopplung ist teuer. Dabei liegen die Sektorenkopplungen per „Vollelektrifizierung“ und „Elektrifizierung mit P2G“ auf einem ähnlichen Kostenniveau, mit leichten Vorteilen für die Sektorenkopplung mit P2G. Darüber hinaus kann der Einsatz von P2G den Leistungsbedarf des Systems um bis zu 53 GW gegenüber einem Szenario mit Vollelektrifizierung des Wärmemarktes senken. Dies entspricht fast der fünffachen Nennleistung aller aktiven deutschen Kernkraftwerke.

Julius Ecke, enervis, erklärt dazu: „Unsere Modellierungen zeigen die enormen Kosten einer Dekarbonisierung des Wärmemarktes. Diese Kosten dürfen nicht weiter aus der aktuellen Energiewende-Diskussion ausgeblendet werden. Das gilt insbesondere, wenn über die „Grüne Vollelektrifizierung“ gesprochen wird, die mittlere Mehrkosten von rd. 30 Mrd. Euro pro Jahr verursachen würde. Um diese volkswirtschaftlichen Kosten zu senken, brauchen wir einen Wettbewerb der Technologien und keine Vorfestlegung auf einzelne Optionen.“

GASCADE-Geschäftsführer Christoph von dem Bussche unterstrich, dass bei einer vollständigen Dekarbonisierung des Energiemarktes kein Weg an der Langzeitspeicherung von Strom vorbei führe. „Wirtschaftlich sinnvolle Alternativen zu Power2Gas sind nicht erkennbar“, so von dem Bussche. „Wir wollen die Energiewende sinnvoll begleiten und zugleich die Versorgungssicherheit gewährleisten. Deshalb ist es erforderlich, die Entwicklung von großtechnischen P2G-Anlagen zu unterstützen.“

Die Studie „Klimaschutz durch Sektorenkopplung: Optionen, Szenarien, Kosten“ ist unter www.enervis.de abrufbar.

Auftraggeber der Studie sind DEA, EWE, Gascade, Open Grid Europe, Shell, Statoil, Thüga und VNG.